Ein Jahr im Leben des Felix von Müller

Homosexualität im jungen Kaiserreich 1877

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Leseprobe



Auszug des Tagebucheintrages von Felix von Müller vom 14. Juli 1877:

Um 5 Uhr werde ich von Frau Ritzhaupt in ein sammntnes Reitkleid geschnürt und sitze sehr unbeholfen inmitten einer großen Menge auf. Chormann und ich reiten die Anlagen hinunter, die Hauptstraße zurück, über die Brücke zu Fräulein Schnautz, auf die Hirschgasse zu Frau Dietz, in die Stadt zu Seppel und werde bald als Schwester, Braut und Gattin vorgestellt. Der Scherz sehr gelungen!

Auszug des Tagebucheintrages von Felix von Müller vom 16. Juli 1877:

Nach der Kneipe mit Lossow nach dem Karlsthor. Dort setzen wir uns auf eine Bank, führen ernste Gespräche und haben uns gern. Auf dem Rückweg setzen wir uns noch auf eine Mauer und zum Danke küssen wir uns vor seiner Thür. Um 3 1/2 Uhr nach Hause. Der Morgen graut ganz bedenklich.

Tagebucheintrag von Felix von Müller vom 20. Juli 1877:

Von Marguerite einen amüsanten, von Stricker einen interessanten Brief erhalten. Olga’s Verlobungsanzeige mit Herrn von Müller. Auf die Hirschgasse. Um 11 Uhr mit Seydel einer Vorladung auf’s Amt gefolgt. 

Amtmann: Sie sind neulich in Frauenkleidern auf’s Carcer? 

Ich: Ja! Erlauben Sie mir zu bemerken, daß unsererseits durchaus keine boswillige Täuschung der Angestellten vorliegt; Herr und Frau Kredel (Portier) haben mir Nichts gethan, wodurch ich mich veranlaßt fühlen könnte, Ihnen einen Schabernack zu spielen! Die Sache zielte dahin, meinem Corpsbruder Hennig, dadurch, daß ich ihm glauben machte, seine Mutter wolle ihn auf dem Carcer besuchen, einen tüchtigen Schrecken einzujagen; dies ist mir auch in vollem Maße gelungen etc. etc. Die Gelegenheit war zu verlockend! 

Amtmann: Sie sind auch die Dame, die kürzlich mit Herrn Chormann ausgeritten ist? 

Ich: Allerdings. 

Amtmann: Die Sache ist nicht von großer Wichtigkeit; allein wir sind nicht um Fastnacht. Die Mama wird da schlafen, wo der Sohn geruht hat. 

Drei Tage Carcer.

Seydel ditto. 

Zurück nach der Hirschgasse, wo Oppenheimer ganz tapfer seinen Gegner absticht.


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